Mein Wiedereinstieg

Bin ich als Mama wirklich weniger wert(voll)?

Ich betrachte dich voller Stolz, während du gerade mutig von der Sofa-Ecke zum Couchtisch balancierst. Ich bin begeistert und gleichzeitig überkommt mich eine Welle Wehmut, wenn ich daran denke, dass mein beruflicher Wiedereinstieg naht. Ich muss unweigerlich an die vergangenen Konversationen mit meinem Chef denken. Mein Bauch zieht sich zusammen und plötzlich wird mir ganz heiß. Sofort habe ich wieder die Mails vor mir, besonders diese eine Nachricht. Da stehen sie nun vor mir, die Worte, die ich einfach nicht verstehen kann: Wenn Sie nicht Vollzeit arbeiten, sind sie auch keine vollwertige Mitarbeiterin und die Führungsposition können Sie mit 30 Stunden vergessen.
Ich muss schlucken. Kann es wirklich sein, dass ich , nachdem ich Mama geworden bin und schier Unmögliches geleistet habe, plötzlich für den Arbeitsmarkt, für die Gesellschaft nichts mehr wert bin? Nur noch eine gemütliche Position besetzen könnte? Wieso ist es ein Entweder- Oder. Darf ich nicht von allem ein bisschen haben? Ich bin zutiefst gekränkt und verärgert, verstehe die Welt nicht mehr und zweifle an den Werten der Menschheit. Ist das tatsächlich gerecht?

Dann frage ich mich, ob mir mein Chef vielleicht sogar einen Gefallen tut, indem er mir die Entscheidung abnimmt und für mich bestimmt, dass eben nicht alles geht und ich eben nicht alles machen und alles sein muss. Denn natürlich möchte ich weiterhin so viel Zeit wie möglich mit dir, meinem kleinen Zuckergoscherl verbringen. Ich möchte bei allen wichtigen Ereignissen in deinem Leben dabei sein, daran teilhaben wie du dich weiterentwickelst, weinst, lachst, dich trösten oder dabei zusehen wie du mittlerweile andere tröstest.
Geht das wirklich nur auf Kosten meiner beruflichen Identität. Ist es wirklich in Ordnung für mich, nach meinem Wiedereinstieg Aufgaben zu erledigen, für die ich deutlich überqualifiziert bin? Es fühlt sich nämlich gerade so an als würde ich wieder ganz am Anfang stehen, nach der Lehre, der Schule, der Uni,…. Wieder am Beginn der ganzen Arbeitswelt, wieder aufs Neue beweisen.
Dabei war ich doch gar nicht so lange weg. Oder doch? Emotional hätte ich wahrscheinlich kaum weiter weg sein können, aber ich bin überzeugt, dass mich das geprägt hat und ich mir in dieser Zeit weitere Qualifikationen angeeignet habe. Man könne es eine Art Boot-Camp nennen. Und was für eins! Bin mir sicher, dass hier so manch einer meiner Kollegen nach ein paar Stunden bereits das Handtuch geworfen hätte. Pah, da kann ich ja nur lachen!

Und tatsächlich erwische ich mich dabei, wie ich mir ein paar Szenen gedanklich ausmale. Ich muss plötzlich laut lachen. Vor allem dieser Kollege aus der Finanzabteilung, der immer alles ganz pünktlich und ordentlich haben möchte. Oder die Kollegin aus der Kreativabteilung, die immer mit extrem hohen Stöckelschuhen und wallender Mähne durch die Gänge schwebt. Lustig ist auch die Vorstellung von meinem Kollege aus der It-Abteilung, der mit dem Septum – perfekt zum Anhalten oder dran ziehen!
Schon lustig, wie sehr sich auch mein eigener Blickwinkel verändert hat. Ich sehe mich, vor der Schwangerschaft, ich war die Kollegin, die einfach nicht „Nein“ sagen konnte. Die, die immer als eine der Ersten im Büro war und die als eine der Letzten gegangen ist. Deren To-Do Listen länger wurden anstatt kürzer. Ich war die Kollegin, die trotzdem sie gerne mit zum After-Work gegangen ist, am nächsten Tag voll leistungsfähig und energiegeladen war. Und nun rutscht mir das Wort „Nein“ öfter über die Lippen als es mir lieb ist, und After-Work ist quasi zum Aperitif geworden, denn es gibt kein NACH DER ARBEIT. Mama bin ich 24/7, wenn man so will.
Ich begreife, dass es nicht meine KollegInnen sind, die sich verändert haben, sondern ich. Für mich hat sich einiges geändert und ich habe andere Prioritäten als noch vor ein paar Jahren. Ich bin kein alleinstehender Single-Mann, von dem die Wirtschaft ausgeht. Ich bin eine ganz wunderbare, starke und erfahrungsreiche Frau, die so viel mehr zu bieten hat, als es auf den ersten Blick zu erahnen ist.
Ich bin wertvoll; gestern, heute und morgen.  Meinen Wert bestimme ich ganz allein und keine Personalchefin, kein Kollege. Ich bin eine wertvolle Angestellte, Führungskraft, Partnerin, Freundin, Mama – Frau. Und wenn mir hier der nötige Respekt nicht entgegengebracht wird, ist das nicht mehr der richtige Ort für mich. Denn nicht nur Unternehmen suchen die passende Mitarbeiterin, auch ich suche den passenden Arbeitgeber.

Es ist nicht immer einfach sich als Frau und Mama in der Gesellschaft zu behaupten, umso wichtiger ist es, dass wir bewusst hinschauen und aufstehen, sollte Unrecht geschehen. Partei ergreifen, sollte Respekt fehlen. Mut haben, sollten die anderen zu feige sein.

 

 

Sei die LieblingsMAMA die du sein willst!

Zurück
Zurück

Bereichernde Unsicherheit

Weiter
Weiter

Die magische Phase