Ich verstehe dich (nicht!)

Die Kluft zwischen verbalisiertem Verständnis und ehrlichem Unverständnis

„Ich habe heute nur vier Stunden geschlafen, ich fühle mich so erschöpft.“ „Er will einfach nicht an der Brust trinken, es ist mir aber so wichtig, ich bin verzweifelt.“ „Manchmal frage ich mich, ob ich eine gute Mama bin.“ „Ich fühle mich so unwohl in meinem Körper und meine Lieblingsjeans kann mir im Moment auch nicht helfen.“ „Mir fehlt mein Job.“ „Es hört sich komisch an wenn ich das sage, aber ich bin einsam.“ „Den ganzen Tag funktioniere ich, dabei verliere ich mich gerade selbst.“

All das sind Sätze, die wir Mamas anderen anvertrauen. Engen Vertrauten, geliebten Bezugspersonen, Bekannten,Fremden. Wie oft hast du beigepflichtetes Verständnis als Antwort dafür bekommen? Ich verstehe dich! – Doch die Augen, die dich dabei ansehen verraten: NEIN, das tust du nicht. Du hast in Wahrheit überhaupt keine Ahnung wie es mir gerade geht. Du kannst es nicht nachvollziehen.Dein Blick transportiert mir dabei noch ungefragt eine Portion Mitleid, Urteil und Bewertung.

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Habt ihr euch selbst auch schon mal bei einer „Ich verstehe dich –Floskel“ ertappt? Es kommt uns ganz leicht über die Lippen, genau wie das „Wie geht’s dir?“ nach einer Begrüßung. In Wahrheit möchte man selten eine ehrliche, ausführliche Antwort darauf bekommen. Und mit der Verständnisbekundung verhält es sich ganz ähnlich. Das Thema wird damit eher beendet als das Gespräch am Laufen zu halten.  Manchmal ist es besser nichts zu sagen. Zu schweigen, zuzuhören, aufmerksam zu sein. Die richtigen Worte zu finden ist nicht immer leicht, die wenigsten entgegen „ich kann mir gar nicht vorstellen wie das für sein mag; wie kann ich dich unterstützen, ablenken, begleiten?“ oder „unglaublich was du alles schaffst, du bist so eine starke Frau und liebevolle Mama“. Dabei wären gerade dieses ehrliche Unverständnis, die richtigen Worte  oder das angebrachte Schweigen Balsam.  Es würde dir vermitteln, dass du dich in einer Ausnahmesituation befindest, dass die Bewältigung deiner momentanen Situation keine Selbstverständlichkeit oder Leichtigkeit ist. Dass so wie du dich fühlst angebracht und richtig ist. Kein Mitgefühl weil du es einfach nicht auf die Reihe bekommst, kein Urteil weil sie ihr Kind niemals dieses oder jenes tun lassen (würden!), keine Bewertung weil du in ihren Augen überbehütend bist oder einen Laissez-fairen Erziehungsstil hast.

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Du fühlst dich wie ein Alien das gerade im All falsch abgebogen ist und in unserer Galaxie notlanden musste. Gibt es denn niemanden der genauso fühlt wie ich? Gibt es denn niemanden, der meine Gedanken und Gefühle wirklich versteht? Doch, die gibt es. Mehr als du jetzt vermuten magst. Die völlig übermüdete Mama aus dem Kindergarten, die gerade ihr zweites Kind bekommen hat . Die ältere Dame an der Bushaltestelle, die selbst so gerne gestillt hätte, doch der es an Unterstützung mangelte.  Die Feinkost Verkäuferin, die deinem Kind ein Blatt Wurst reicht und sich dabei fragt, ob sie bei ihrem Kind „alles“ richtig gemacht hat. Die Mama, die im Rückbildungskurs neben dir gesessen ist, die sich komplett neu einkleiden musste. Die Frau, die ihr Kind gerade liebevoll tröstet weil es sich im Supermarkt keine Schlagobers-Straciatella-Kirsch Torte (Familiengröße!) aussuchen durfte. Deine Nachbarin, die vor kurzem ein Baby bekommen hat und momentan nur als Mama existiert. Deine Oma, die vier Kinder großgezogen hat, zweimal verheiratet war und nun so bei sich ist, wie kaum jemand, den du kennst.

Es gibt sie – Gleichgesinnte. Sie begegnen dir dort wo du sie vielleicht am wenigsten erwartest.  Oft sind es diejenigen, die nach einem Satz von dir, dein Schweigen tragen. Deinen Arm drücken. Dir sagen, dass es besser wird. Dich verstehen – ehrlich und pur.

Genau das sind diejenigen, die dir Kraft geben. Orientiere dich an ihrer Authentizität und nicht an dem Gefühl das dir mit einem halbherzigen „ich verstehe dich“ vermittelt wird. Letztendlich bleibt die Frage? Müssen es alle verstehen? Nein. Wichtig ist, dass DU es verstehst.

Sei die LieblingsMAMA die du sein willst!

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MAMA Advent.